
Eine Wanderung durch die Landeshauptstadt - von Bad Cannstatt hinauf zur Grabkapelle auf dem Württemberg.
Unsere Geschichtswanderung in Stuttgart starten wir in Bad Cannstatt am Kurhaus, wo die Gottlieb-Daimler-Quelle sprudelt.
Gleich gegenüber vom Denkmal für Wilhelm I. von Württemberg befindet sich der Lautenschlägerbrunnen. Dieser Mineralwasserbrunnen ist gekrönt von einem Jungen, der Laute spielt. Der Brunnen ist an diesem Sonntagmorgen gut besucht. Die alten Hasen der "Trinkerzunft" erkennt man an ihren Gefäßen, mit denen sie sich ihre tägliche Dosis Heilwasser zapfen; etwas unansehnlich bräunliche Flaschen, die von häufigem Gebrauch des stark eisenhaltigen Quellwassers zeugen.
Stuttgart und sein Mineralwasser
Die Mineralquellen Stuttgarts umfassen 19 gefasste Brunnen. Sie erschließen unterschiedliche geologische Schichten, deshalb reicht das Spektrum der Heilwasser von Mineralwasser über solehaltiges Wasser bis zu Thermalwasser. Badestuben sind schon in der Römerzeit und im Mittelalter nachgewiesen. Die Blüte der Bäder fiel in die Mitte des 19. Jahrhunderts zwischen 1840 und 1870. Vor allem in Bad Cannstatt nahm der Kurbetrieb stark zu.
Mit der weiter fortschreitenden Industriealisierung, besonders des mittleren Neckarraumes, sowie aufgrund der damit einhergehenden regen Bautätigkeit zwischen Neckar und den Rebhängen, ging die Besucherzahl jedoch immer mehr zurück.
Gottlieb Daimler
An den Schienen der SSB entlang gehen wir in Richtung Kursaal und biegen danach links ab. Wir kommen zum Denkmal für den Autopionier Gottlieb Daimler und gehen etwas weiter zum ehemaligen Gartenhaus der Daimler Villa, die hier bis zum zweiten Weltkrieg stand. Das Gartenhaus ist heute eine kleine, aber feine Gedenkstätte für den berühmten Autobauer, der 1834 in Schorndorf im Remstal geboren wurde und der zunächst eine Lehre als Büchsenmacher absolvierte, ehe es den jungen Mann in die Ferne zog. Frankreich und England sind Etappen seiner Wanderschaft.
Daten & Infos
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Daimler bildete sich technisch weiter, absolvierte ein Maschinenbaustudium und wurde, achtunddreißigjährig, leitender Konstrukteur bei der Gasmotorenfabrik Deutz. Mit ihm arbeitete Wilhelm Maybach, sein Partner bei der Gründung einer mechanischen Werkstätte in Cannstatt. Hier entstand der erste leichte Fahrzeugmotor.
1885 wurde dieser schnelllaufende Motor in ein zweirädriges Holzgestell eingebaut, es ähnelte einem Motorrad. Ein Jahr später kam der Motor in einer Kutsche und in einem Boot zum Einsatz, später auch in einem Luftschiff. Dieses Dreigestirn des Viertaktmotors - auf der Erde, im Wasser und in der Luft - symbolisiert der Mercedesstern; umschlossen vom Erdenkreis, der mit diesem Motor erobert wird.
Uff Kirchhof
An den Resten der Grundmauern der Daimler-Villa vorbei stoßen wir am Ende der Grünfläche auf die Ecke Wiesbadener-/Taubenheimstraße. Letztere gehen wir in östlicher Richtung bis zur Waiblinger Straße, überqueren diese und befinden uns vor dem Uff Kirchhof. Der Friedhof ist zwischen dem achten und neunten Jahrhundert entstanden und somit einer der ältesten Friedhöfe der Stadt. Zwischen seinen Mauern beherbergt dieser Friedhof die letzte Ruhestätte prominenter Württemberger wie die von Gottlieb Daimler, des Rennfahrers Hermann Lang und des Dichters Ferdinand Freiligrath.
Weiter geht es auf der Taubenheimstraße stadtauswärts, bis wir auf die Deckerstraße stoßen. Diese Straße gehen wir nach links über die Bahnbrücke und auf der anderen Seite rechts ein kleines Stück die Augsburger Straße entlang, um gleich wieder nach rechts in die Kienbachstraße einzubiegen.
Am Vatikan
Bergauf geht es bis zur Ecke Winterhaldenstraße und hier sehen wir den sogenannten "Vatikan", einen Wohnblock aus der Gründerzeit. Wir nutzen einen der Durchgänge und machen uns ein Bild von der ausgefallenen Architektur des Gebäudes.
Warum der Wohnblock seit jeher "Vatikan" genannt wird? Ganz einfach deshalb weil die ersten Bewohner in der Mehrzahl Katholiken waren. Zwischen 1904 und 1905 wurden hier - damals noch weit vor dem Stadtgebiet - 19 Häuser mit 114 Wohnungen errichtet. Finanziert wurde das Projekt aus den Beiträgen der Arbeiter und Beamten des Spar- und Darlehensvereins (heutige Sparda Bank). Die Mitglieder waren in der Mehrzahl bei den königlichen Eisenbahnwerkstätten und bei den Daimler-Motorenwerken beschäftigt.
Bis in die 30er Jahre des letzten Jahrhunderts kamen noch weitere Häuser dazu und es entstand ein großer Block mitsamt Innenhof, umschlossen von Straßen. Wegen der abseitigen Lage zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Geschäfte des täglichen Bedarfs geplant und gebaut - Bäcker, Metzger und eine Kolonialwarenhandlung gehörten zum Vatikan.
Wir verlassen den Vatikan und gehen die Winterhaldenstraße weiter stadtauswärts bis zur Oberschlesischen Straße. Hier wenden wir uns rechts bergab und durch eine Schrebergartensiedlung.
Straßenbahnfahrt
Als wir schließlich wieder auf die Brückenauffahrt stoßen, gehen wir gehen hinunter zur Augsburger Straße und steigen an der Haltestelle Kienbachstraße in die Straßenbahn Richtung Untertürkheim.
Am Bahnhof Untertürkheim angekommen, unterqueren wir die Bahn, gehen auf der Arlbergstraße rechts und kommen, am Bahnhof vorbei, auf die Augsburger Straße. Sie ist die drittlängste Straße Stuttgarts.
Bei Hausnummer 379 steht die St. Germanus Kirche, der wir einen Besuch abstatten. Der Vorraum der Kirche ist täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Das Schmuckstück der Kirche, die Ostwand mit der Bilderfolge der Josefslegende, sollte man sich nicht entgehen lassen. Es ist ein Alterswerk des Reutlinger Künstlers HAP Grieshaber.
Der Württemberg
Die Augsburger Straße gehen wir weiter bis zur Hausnummer 417; kurz zuvor haben wir die Strümpfelbacher Straße gekreuzt und befinden uns nun auf dem Weinbergpfad in Richtung Württemberg. Es geht bergauf in die Weinlage "Untertürkheimer Mönchberg". Am Gebäude des herzoglichen Weingutes geht es geradeaus und in einer Klinge weiter aufwärts.
Vorbei an Weinbergen und Kleingärten haben wir binnen kurzem ein gutes Stück Höhe gemacht und erreichen die Rotenberger Steige. Ein paar Meter auf dieser Steige und wir kommen an eine Schutzhütte mit schönem Vesperplatz und genauso schöner Aussicht auf das Neckartal und den Westen und Süden Stuttgarts. Nach dem Vesper geht es in weitem Bogen in Richtung Osten bis zu einer Spitzkehre. Hier gehen wir links geradewegs auf die Grabkapelle zu.
Die Grabkapelle
"Die Liebe höret nimmer auf" - mit goldenen Buchstaben hat Wilhelm I. von Württemberg 1824 seiner geliebten, jung verstorbenen Ehefrau Katharina Pawlowna, den Eingang zu ihrer Grabkapelle schmücken lassen. Auch Wilhelm I. und eine der Töchter des Paares sind hier beigesetzt.
Katharina, Schwester des Zaren Alexander von Rußland war in den wenigen Jahren ihrer Regentschaft zu großer Beliebtheit gelangt. Sie wurde nach russisch - orthodoxem Ritus im Januar 1819 beigesetzt. Zu ihren Lebzeiten stand hier noch die alte Stammburg der Württemberger - es war der Lieblingsplatz Katharinas. Nach ihrem Tod ließ Wilhelm die Burg sorgsam abtragen und aus dem geborgenen Material die Grabkapelle errichten.
Rotenberg
Wir verlassen den Württemberg über die Württembergstraße in Richtung Rotenberg. Ein Rundgang durch dieses noch recht ursprüngliche Weingärtnerdorf, sowie der Besuch des "Weingärtles Rotenberg", runden unseren Ausflug ins dörfliche Stuttgart ab.
Uhlbach
Über die Markgräfler Straße verlassen wir Rotenberg in Richtung Tal, bis wir nach Uhlbach kommen. Am Ende dieser Straße steht das Rathaus von Uhlbach und schräg gegenüber die Alte Kelter.
In der Alten Kelter ist das Weinbaumuseum der Stadt Stuttgart untergebracht. Nach einem Besuch desselben gehen wir quer über den Uhlbacher Platz zum Busbahnhof Uhlbach in der Asangstraße. Mit dem Bus fahren wir zurück nach Untertürkheim und weiter zu unserem Ausgangspunkt in Bad Cannstatt.
Quellen:
Kur- und Bäderbetriebe Stuttgart, hier: Das Stuttgarter Mineralwasser
Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Auflage 1977, Mannheim, Band 6 Seite 182
www.schloesser-und-gaerten.de
Foto Grabkapelle: ©hunterbliss/Fotolia