Die Vogelherdhöhle bei Stetten ob Lonetal (ein Ortsteil von Niederstotzingen, Landkreis Heidenheim) zählt zu den Ausgrabungsstätten der Jungsteinzeit im Lonetal. In mehreren Höhlen eines Kalksteinmassivs am rechten Rand des Lonetalas wurden Kunstwerke gefunden, die zu den ältesten der Menschheit zählen. Auch der rund 40.000 Jahre alte "Löwenmensch", die älteste Darstellung eines Mischwesens aus Mensch und Fabelwesen, wurde in einer Höhle im Lonetal entdeckt.
Die einzigartigen Funde aus den 1930er Jahren sowie weitere Funde aus neuerer Zeit sind fein geschnitzte Miniaturen aus Mammutelfenbein. Es sind keine Gegenstände des Alltags, sondern Kunstwerke ohne praktischen Nutzen. Ob sie eine spirituelle Bedeutung für die Steinzeitmenschen hatten oder nur zur eigenen Freude hergestellt wurden, bleibt ungewiss. Sicher ist, sie sind die ältesten Artefakte der Jungsteinzeit von vor 32 000 Jahren. Das anerkannt älteste, komplett erhaltene Kunstwerk der Welt ist ein mehrere Zentimeter großes Mammut.
Glückliche Entdeckung
Die Entdeckung der Höhle sowie die ersten Grabungsfunde verdanken wir einem Dachs.
Der Heimatforscher Hermann Mohn entdeckte 1931 bei seinen Streifzügen durch die Region vor einem Dachsbau seltsam geformte Knochensplitter, die er bei näherem Hinsehen als Steinzeitfunde erkannte. Mohn informierte den Urgeschichtsforscher Dr. Gustav Riek, Universität Tübingen, der ein Jahr später mit einem Forscherteam mit den Ausgrabungen begann.
11 prähistorische Darstellungen von Tieren
Die Archäologen beförderten 11 Artefakte an die Oberfläche - u. a. die 32.000 Jahre alte, sehr gut erhaltene Darstellung eines Pferds, Fragmente von Raubkatzen-Darstellungen, ein Ren, ein Bison und eines Mammuts. Zudem fanden die Forscher in der Höhle Knochenfragmente, Werkzeuge aus Stein und Knochenspitzen.
Nach und nach wurden auch die anderen Höhlen im Lonetal erschlossen, die Bockstein - und die Hohlensteinhöhle.
Die Höhlen waren Rückzugsorte der umherziehenden Neandertaler, die nur während der Wintermonate hier Unterschlupf suchten. Leicht erhöht über dem Lonetal gelegen, mit weitem Rundumblick, waren sie ein idealer Standort für Beutezüge in der Umgebung und ein sicherer Zufluchtsort.
Der Löwenmensch
Im Hohlenstein-Stadel, einer 50 Meter langen Höhle, wurden bereits 1939 Bruchstücke einer löwenähnlichen Figur aus Mamutelfenbein entdeckt. Infolge des Kriegsausbruchs wurden die Grabungsarbeiten abgebrochen. Erst 1969 machte sich ein Prähistoriker daran, die mehr als 200 Knochensplitter zusammenzusetzen. Die Figur blieb zunächst unvollständig. Klar schien indes, dass es sich um bei der Skulptur um ein Mischwesen aus Löwe und Mensch handelte.
In den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts fanden Besucher der Höhle weitere Knochensplitter; weitere Spltter fanden sich bei der Auflösung des Arbeitszimmers eines Tübinger Wissenschaftlers. Im Jahr 2009 schließlich wurde die Fundstelle von einem Team des Landesamtes für Denkmalpflege in Stuttgart wiederentdeckt . Im Abraumschutt der ersten Grabung von 1939 fanden die Forscher weitere Bruchstücke.
2013 schließlich wurde die Figur komplett zerlegt. Mit Hilfe der Röntgen-Computertomographie wurden die insgesamt rund 300 Bruchstücke zunächst digitalisiert und digital zusammengesetzt. Erst dann begab man sich daran, die Figur neu zusammenzufügen.
Der Löwenmensch ist heute nahezu komplett. Die Figur ist 31,1 Zentimeter groß. Sein Alter wird auf 41.000 bis 35.000 Jahre eingegrenzt. Damit ist er die älteste Darstellung eines Mischwesens / Fabelwesens, das derzeit bekannt ist.
Der Löwenmensch ist ausgestellt innerhalb einer Dauerausstellung des Museums Ulm.
Die Höhle als Besucherziel
Der "Archäopark" Areal um die Vogelherdhöhle ist als Themenpark gestaltet. An verschiedenen Plätzen des 3,5 Hektar großen Geländes sind Aktionsräume installiert, an denen in den Sommermonaten steinzeitliches Leben dargestellt wird. Von Ernährung, über Jagd bis zur steinzeitlichen Musik ist für jeden etwas im Programm und es bleibt nicht beim Zuschauen; einige Veranstaltungen laden die Besucher zum Mitmachen ein.
Im Juli 2017 wurde das Engagement um die Höhlen im Lonetal belohnt mit der Anerkennung als UNESCO-Weltkulturerbe.
Hier weiterlesen und weiterschauen:
- Website Lonetal.net - sehr informativ zur Geschichte der Ausgrabungen und Funde. Teilweise sehr schöne Fotos
- Website Museum Ulm: Der Löwenmensch
- Website "Lust auf Natour"
- Wikipedia
- Nicholas Conard und Claus-Joachim Kind: Als der Mensch die Kunst erfand: Eiszeithöhlen der Schwäbischen Alb, wbg Theiss, Sonderausgabe 2019, gebunden, 20,- €
- Hg. Museum Ulm: Rückkehr des Löwenmenschen - Geschichte, Mythos, Magie; Thorbecke 2013, Taschenbuch, 22,90 €