Johann Wolfgang von Goethe – sein Förderer Karl August v. Sachsen-Weimar-Eisenach hat ihn 1782 in den Adelsstand erhoben – ist neben Friedrich Schiller der bedeutendste deutsche Dichter. Die Spanne seines Lebens und dichterischen Wirkens – vom Rokoko über den Sturm und Drang und die deutsche Klassik bis zur Romantik – seine naturwissenschaftlichen Studien und Betrachtungen und vor allem seine Gedichte machen ihn zu einem “Universalgenie” von Weltgeltung.
Goethe wird am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren. Seine Eltern zählen zum Großbürgertum der Stadt. Der Vater ist kaiserlicher Rat, die Mutter Katharina Elisabeth, geborene Textor, entstammt einer reichen Frankfurter Patrizierfamilie.
Der Sohn erfährt durch seinen Vater und Hauslehrer eine umfassende Bildung.
Studentenjahre
Der Vater wünscht sich für ihn eine Laufbahn als Beamter. Also geht der junge Goethe 1765 als Student nach Leipzig. Neben dem Studium widmet er sich ersten eigenen dramatischen und lyrischen Dichtungen. Aufgrund seines ausschweifenden Lebenswandels gesundheitlich angeschlagen, muss Goethe das Studium unterbrechen und kehrt 1768 nach Hause zurück.
In Frankfurt entstehen Dichtungen im Rokoko Stil. Zudem unternimmt Goethe erste alchemistische Experimente.
Erst 1770 kann er in Straßburg im Elsass sein Jurastudium fortsetzen. Die neue Umgebung, die gotische Architektur des Straßburger Münsters, vor allem aber seine erste große Liebe Friederike Brion – all das fesselt den jungen Dichter und wird zur Inspiration für seine Dichtung. Zugleich beschäftigt sich der junge Student eingehend mit dem Werk Shakespeares, und er trifft den jungen Herder, der Goethe für die Volksdichtung und die Herkunft der Sprache begeistert. Die erste Fassung des Götz von Berlichingen entsteht in Straßburg.
Das Abschlussexamen absolviert Goethe 1771. Anschließend kehrt er nach Frankfurt zurück.
“Sturm und Drang”
In seiner Heimatstadt arbeitet Goethe als Anwalt und widmet sich nebenher intensiv seinen Studien zu Shakespeare und zu klassischen Stoffen der Antike. Mit seinen Beiträgen zu den “Frankfurter gelehrten Anzeigen” entwickelt sich der junge Advokat zum wichtigsten Vertreter der Zeitströmung des “Sturm und Drang”.
1772 arbeitet er mehrere Monate als Praktikant beim Reichskammergericht in Wetzlar. Hier lernt er Charlotte Buff, die Verlobte eines Freundes kennen. Die Begegnung muss einschneidend für den jungen Mann gewesen sein. Er verarbeitet sie später in “Die Leiden des jungen Werther”.
Ende 1772 ist Goethe wieder als Anwalt in Frankfurt. Bis 1774 entstehen wichtige Werke wie das Drama “Egmont” und Lyrik im Stil des Sturm und Drang. Auch sein erstes größeres Werk, den “Götz v. Berlichingen” fasst er neu. Eine Reise mit dem Fürsten Stolberg in die Schweiz im Jahr 1775 markiert Abschluss und Neuanfang: Kaum ist Goethe wieder in Frankfurt, erfolgt die Einladung des jungen Herzogs Karl August nach Weimar. Goethe löst in dieser Zeit zudem seine Verlobung mit Lilli Schönemann.
Die ersten Jahre in Weimar
In Weimar übernimmt Goethe vielfältige Aufgaben in der Verwaltung und bei Hofe. Er beschäftigt sich intensiv mit Mineralogie, Botanik und Anatomie – findet sogar einen bis dahin unbekannten Knochen im Zwischenkiefer. Am Hof des jungen Fürsten, der ihn bewundert, organisiert der inzwischen zum Legationsrat ernannte Goethe diverse Bildungsangebote, Gesellschaften und Aufführungen. Neben diesem Arbeitspensum in der Öffentlichkeit, findet er Muße zu ersten Entwürfen seiner klassischen Dramen wie “Torquato Tasso” und “Iphigenie auf Tauris”. Auch der “Faust” und “Wilhelm Meister” sind im Werden.
Die erste Italienreise
Und wieder ist es eine unglückliche Liebe – die Beziehung zu Charlotte von Stein – sowie das kräftezehrende Arbeitspensum, das nach Änderung und Neuorientierung verlangt. Die lang ersehnte Italienreise soll dem 36jährigen neue Impulse verschaffen.
1786 bricht er auf und erst zwei Jahre später kehrt er nach Weimar zurück. Seine Beobachtungsgabe, sein naturwissenschaftlicher Forschergeist und seine Kontaktfreudigkeit machen diese Reise für den Dichter zum unvergesslichen Erlebnis.
Christiane Vulpius
Zurück in Weimar verarbeitet Goethe Eindrücke und Erlebnisse in seiner Dichtung. Privat findet er endlich die Frau seines Lebens, Christiane Vulpius. Aus einfachen Verhältnissen, jung, schön und temperamentvoll zieht sie 1788 als Haushälterin zu Goethe. Eine “wilde” aber glückliche Ehe, die Goethe erst 1806 während der napoleonischen Zeit in eine rechtmäßige umwandelt. Die “Römischen Elegien” entstehen in dieser Zeit.
1790 begibt er sich nochmals nach Italien, nach Venedig. Aber das Heimweh nach seiner Frau und dem 1789 geborenen gemeinsamen Sohn August lassen ihn nach wenigen Monaten zurückkehren. Wieder in Weimar kann Goethe sein Leben neu ordnen. Der Arbeitsplatz am Hof des Fürsten wird nach seinen Wünschen gestaltet und er kann sich anderen Aufgaben widmen. Naturwissenschaftliches Arbeiten an der Universität in Jena und die Leitung des Hoftheaters von Weimar werden seine Schwerpunkte. 1792 begleitet Goethe den Fürsten im Krieg gegen das französische Revolutionsheer. In verschiedenen Werken setzt er sich mit der Revolution von 1789 auseinander.
Goethe und Schiller
Wichtigstes Ereignis dieser Jahre aber ist das Zusammentreffen mit Schiller, den er bewegen kann, ganz nach Weimar zu ziehen. Bis zu dessen Tod im Jahr 1805 (und darüber hinaus) ist diese Freundschaft die wichtigste im Leben Goethes.
Schillers Idealismus und Goethes Naturbetrachtung sind die beiden Pole dieser Verbindung. Beide sind Literaten des Sturm und Drang. Beide suchen in der klassischen Antike Bezugspunkte für ihre Dichtung.
Viele wichtige Werke entstehen in dieser Zeit und jeder der beiden ist des anderen Ideengeber und Kritiker. Sie geben gemeinsam Zeitschriften zur Literaturkritik heraus, begutachten gegenseitig ihre Stoffe und ermuntern sich zur Wiederaufnahme begonnener Fragmente.
Schillers Dramen “Tell” und “Wallenstein” entstehen; Goethes “Hermann und Dorothea”, der “Wilhelm Meister”. Auf Schillers Drängen kommt endlich auch der “Faust” zu einem Abschluss. Auch in seinen naturwissenschaftlichen Studien bleibt Goethe ehrgeizig. Die “Metamorphose der Pflanzen” und die “Farbenlehre” entstehen.
Weimarer Klassik
Diese Zeit geht als “Weimarer Klassik” in die deutsche Literaturgeschichte ein. Zu ihr gehören auch Herder und Wieland, die in Weimar ansässig sind.
Innerhalb von wenigen Jahren sterben die Repräsentanten des Kreises; Herder 1803, Schiller 1805 und Wieland 1813.
Weimar und Jena ziehen aber weiterhin bedeutende Köpfe der deutschen Philosophie und der Naturwissenschaften an. Wilhelm von Humboldt, Schelling, die Brüder Schlegel und Fichte lehren und wirken in den beiden Städten.
Eine neue Strömung erfasst auch Goethe, die deutsche Romantik. Wichtigste Vertreter sind Clemens Brentano und Achim von Arnim. Sie widmen Goethe ihr Standardwerk “Des Knaben Wunderhorn”, eine Sammlung volkstümlicher Lieder der letzten 200 Jahre.
Die Impulse der Romantik verarbeitet Goethe in literarischer Form, z.B. in den “Wahlverwandtschaften”.
Napoleon
In diese Epoche fällt der Schatten des Aufstiegs und des Sturzes von Napoleon. Goethe ist persönlich betroffen, als 1806 französische Soldaten Weimar besetzen und nur der mutige Einsatz seiner Frau verdankt es Goethe, dass die Familie ungeschoren davonkommt.
Auch deswegen heiratet er Christiane, kaum dass er sich von dem Schrecken erholt hat. 1808 trifft Goethe sogar persönlich mit Napoleon zusammen, der ihn als Dichter des “Werther” hoch schätzt.
Ab 1814, Goethe ist Mitte Sechzig, widmet er sich der Pflege seiner eigenen Biographie. Er sortiert, überarbeitet Briefe und Tagebücher. Teile seiner Autobiographie “Dichtung und Wahrheit” entstehen. Mit den “Annalen” schreibt er Jahrbücher für die Nachwelt, in denen er sein Leben von 1786 bis 1822 nacherzählt. Die italienische Reise und den Feldzug nach Frankreich nimmt er heraus und gibt ihnen literarische Form.
1814 begegnet Goethe auf einer Reise Marianne von Willemer. Das Erlebnis dieser Begegnung und die Beschäftigung mit altpersischer Dichtung inspirieren Goethe zu dem einzigartigen Gedichtbuch “West-östliche Diwan”.
Am 6. Juni 1816 stirbt Christiane nach zwei Schlaganfällen. Ihr Mann hat sie in den letzten Tagen ihres Lebens nicht mehr gesehen – auch er ist krank. Die Beerdigung findet ohne ihn statt.
Goethes Leidenschaften sind ungebrochen und in den letzten Jahren entstehen wunderschöne Liebesgedichte und Liebeslieder wie die Marienbader Elegien und die Dornburger Lieder.
Zwei seiner wichtigsten Werke, die ihn sein halbes Leben beschäftigten, den “Wilhelm Meister” und den “Faust” erweitert und schließt Goethe ab. Die letzte Fassung des 2. Teils des “Faust” versiegelt er kurz vor seinem Tod am 22. März 1832. Diese Fassung wird erst 1833 veröffentlicht.
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