Der Soldat, Schriftsteller und Philosoph Ernst Jünger ist der erste Sohn des Ehepaares Ernst Georg Jünger und seiner Frau Karoline. In Heidelberg 1895 zur Welt gekommen, zieht die junge Familie des Diplom Chemikers Jünger sen. über Schwarzenberg im Erzgebirge und Hannover schließlich nach Rehburg am Steinhuder Meer in Niedersachsen. In Hannover wird 1898 der zweite Sohn, Friedrich Georg, geboren, mit dem der ältere Bruder Zeit seines Lebens innig verbunden ist.
Der Sammler und Wissenschaftler
Das Ehepaar Jünger bekommt in der Folge noch vier weitere Kinder, von denen zwei jedoch als Säuglinge sterben. Der Vater ist selbständiger Apotheker. Er fördert früh die Neigung des jungen Ernst zur Naturbeobachtung und dessen Sammelleidenschaft. Kerfe werden sein Spezialgebiet. Diese Leidenschaft wird ihn bis ins hohe Alter begleiten und führt ihn in fast alle Kontinente dieser Erde. Der Ernst-Jünger-Preis für herausragende Insektenkundler wird seit 1985 alle drei Jahre vergeben.
Der Soldat
Als Schüler am Wunstorfer Gymnasium tritt Ernst Jünger 1911 mit seinem Bruder dem Wandervogel, Bund für Schülerfahrten, bei. Seine Abenteuerlust kennt keine Grenzen. 1913 meldet er sich freiwillig und heimlich zum Dienst bei der französischen Fremdenlegion. Sein Vater muss alle Hebel in Bewegung setzen, um seinen Sohn wieder heim zu holen.
Ein Jahr später, am 1. August 1914, wird Jünger Kriegsfreiwilliger beim Füsilier Regiment “Prinz Albrecht von Preußen”. Er macht sein Notabitur, wird militärisch ausgebildet und im Dezember 1914 mit seiner Einheit an die Champagne-Front in Frankreich verlegt.
Bis zum Ende des Krieges wird Jünger vierzehn Mal verwundet, entgeht dem Tode nur ganz knapp und kann im Juli 1917 durch Zufall seinen schwer verwundeten Bruder Friedrich Georg retten.
Zu dieser Zeit ist der gerade mal 23jährige Leutnant Stosstruppführer und mehrfach ausgezeichnet. Am Ende des Krieges wird ihm der höchste militärische Orden Preußens verliehen, der “Pour le Mérite”. In den 1990er Jahren wird Ernst Jünger der letzte Ritter dieses Ordens sein, der den Ehrensold für seine Verdienste bekommt.
Der Schriftsteller
Nach Gründung der Weimarer Republik und der Reichswehr, wird Jünger in deren Dienste übernommen. 1923 scheidet er aus und hat während dieser Zeit seine Kriegserlebnisse in literarische Form gebracht. Das Buch “In Stahlgewittern”, 1920 veröffentlicht, ist Grundstein für Jüngers Ruhm. Er beschreibt seine Zeit als Soldat zwischen 1914 und 1918 an der Westfront in Frankreich nüchtern und distanziert.
Ernst Jünger beginnt ein Studium der Zoologie und Philosophie, heiratet Gretha von Jeinsen. 1926 wird Sohn Ernst geboren. Jünger bricht das Studium ab, um sich fortan als freier Schriftsteller zu betätigen. In dieser ereignisreichen, dramatischen Endphase der Weimarer Republik zieht es die Jüngers nach Berlin, in das “Auge des Taifuns” zurück, wie der Bruder die Reichshauptstadt bezeichnet. Die Brüder Jünger werden zu wortgewaltigen Verfechtern des nationalen Aufbruchs und der Konservativen Revolution. Sie arbeiten an verschiedenen Zeitschriften mit und nehmen aktiv Teil am politischen Leben der “wilden Zwanziger”.
Die Jahre der Naziherrschaft
Zur NSDAP halten die Brüder Abstand. Ein Reichstagsmandat lehnt Ernst Jünger zweimal ab – 1927/28 und 1933. Bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 hat Ernst Jünger noch “Das abenteuerliche Herz”, sowie “Der Arbeiter” veröffentlicht – zwei seiner wichtigsten Werke. Die neuen Machthaber aber trauen Jünger nicht, auch weil er sich weigert, einer Berufung in die Deutschen Akademie für Dichtung Folge zu leisten. Einer Hausdurchsuchung in seiner Berliner Wohnung durch die Gestapo folgt wenig später der Umzug in den Vorharz, nach Goslar.
Hier wird 1934 auch der zweite Sohn der Jüngers, Alexander, geboren. Bis zu seiner Reaktivierung als Hauptmann zu Beginn des Zweiten Weltkrieges reist Ernst Jünger nach Norwegen und Südamerika und veröffentlicht mehrere Essays.
In Goslar bleibt die Familie nur drei Jahre, 1936 ziehen sie nach Überlingen an den Bodensee und 1939 nach Kirchhorst bei Hannover. Im gleichen Jahr erscheint “Auf den Marmorklippen”.
Jünger nimmt am Frankreichfeldzug teil und bleibt bis zu seiner Entlassung 1944 im Stabsdienst in Paris. 1942 erscheint “Gärten und Straßen” – die Tagebuchaufzeichnungen Jüngers von kurz vor Beginn des Krieges bis zum deutsch-französischen Waffenstillstand 1940. Die Aufzeichnungen missfallen der Reichsschrifttumskammer; und der Autor bekommt Publikationsverbot. Ausgenommen von diesem Verbot bleibt seine Schrift “Myrdun”, Briefe aus Norwegen, die er über die Wehrmacht 1943 veröffentlichen kann.
1944 wird sein ältester Sohn wegen kritischer Äußerungen denunziert und zu einer Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt, bleibt aber in ständiger Gefahr, wieder verhaftet zu werden. Um dem zu entgehen, meldet sich der knapp Achtzehnjährige freiwillig zum Fronteinsatz und fällt am 29. November 1944 in Italien.
Nach dem 20. Juli 1944 wird Ernst Jünger aus dem Heeresdienst entlassen, kehrt nach Kirchhorst zurück und erlebt das Kriegsende als Volkssturmführer. Den Fragebogen zur “Entnazifizierung” füllt er nicht aus – das Publikationsverbot im Krieg findet seine Fortsetzung durch die englische Besatzungsmacht. In Amsterdam erscheint 1946 seine Schrift “Der Friede – Ein Wort an die Jugend Europas und der Welt” – Teile dieser Schrift hat Jünger schon während des Krieges notiert, und der Inhalt war in Widerstandskreisen bekannt.
1948 entschließt sich Ernst Jünger zur Umsiedlung in die französische Besatzungszone, nach Ravensburg in Oberschwaben. Die Franzosen sind ihm gewogen und haben nichts gegen seine Bücher – 1949 erscheint “Strahlungen”, die Fortsetzung seiner Tagebücher von 1941 bis 1945 und “Heliopolis”, ein utopischer Roman.
Umzug nach Wilflingen
1950 schließlich der Umzug in die ehemalige Oberförsterei der Schenken zu Stauffenberg nach Wilflingen; hier wird Ernst Jünger die nächsten 48 Jahre bleiben.
Die junge Bundesrepublik ehrt den Schriftsteller in den Jahren des Aufbaus und des Wirtschaftswunders. Er wird zum “Klassiker”, bleibt Beobachter und mischt sich nicht in den Kulturbetrieb ein. Mit seiner Schrift “Der Waldgang”, erschienen 1950, setzt er dem abseits der Massengesellschaft stehenden Einzelnen ein literarisches Denkmal.
Bis weit in die 1990er Jahre reist Ernst Jünger oft und weit, schreibt, veröffentlicht, nimmt Ehrungen entgegen und empfängt Staatspräsidenten und Bundeskanzler. Er überlebt seine Frau, die 1960 stirbt ebenso wie seinen Bruder Friedrich Georg, der 1977 in Überlingen nach langer Krankheit stirbt. 1962 heiratet Jünger Liselotte Lohrer, geb. Bäuerle. Für beide ist es die zweite Ehe, der erste Mann von Liselotte Lohrer fiel 1941 an der Ostfront. Bis zu ihrer Heirat mit Ernst Jünger war die gelernte Germanistin Archivarin der Cotta´schen Verlagsbuchhandlung, nach der Heirat ist sie Lektorin der Werke ihres Mannes.
Jüngers Alterswerk
An seinem siebzigsten Geburtstag 1965 beginnt Jünger ein Tagebuch, welches bis 1996 als “Siebzig verweht” in mehreren Teilen erscheint und das wichtigste Alterswerk Jüngers ist.
1986, mit 91 Jahren, reist Ernst Jünger nach Malaysia, um noch einmal den Kometen Halley zu sehen. Das erste Mal hatte er den Kometen als Fünfzehnjähriger gesehen – am Steinhuder Meer.
1993 stirbt Jüngers zweiter Sohn Alexander, fünf Jahre später im Alter von 103 Jahren stirbt Jünger in Riedlingen – nach einem Leben ausgespannt zwischen den großen Epochen eines Jahrhunderts.
Bildhinweis: Das Ernst-Jünger-Haus in Wilflingen – © R. Stohp/Geschichte zu Fuß